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Xin Xue Yuan Han Zhu
Sinologie
Zhongwenxi



Lehrveranstaltungen SS 97

Uebung: Einfuehrung in die chinesischen Referenzwerke: Enzyklopaedien

Dozent: Hermann Kogelschatz

Zeit und Ort: Mittwoch 11-13 Uhr, Leseraum

Beginn: 16. April

Zielgruppe: Fuer alle Studenten des Hauptstudiums, welche die Faehigkeit erwerben moechten, sich selbstaendig anhand von chinesischen Nachschlagwerken umfassend zu informieren.

Inhalt der Lehrveranstaltung:

Zur Bedeutung der Enzyklopaedien: Enzyklopaedien sind Bestandsaufnahmen des Wissens und als solche einzigartige kulturhistorische Zeugnisse, welche uns einen detaillierten Ueberblick ueber den Wissenshorizont einer Gesellschaft oder gesellschaftlichen Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Entwicklung gewaehren. Zugleich erfuellen die Enzyklopaedien fuer uns weiterhin - freilich unter veraenderten Vorzeichen - ihre urspruengliche Funktion als Informationsquellen zu allen nur denkbaren Gegenstandsbereichen. Ihre Bedeutung kann also gar nicht hoch genug eingeschaetzt werden. Dennoch werden die traditionellen Enzyklopaedien von Studenten der Sinologie gerne links liegen gelassen, sei es, weil man gar nicht ahnt, was darin alles zu finden ist, sei es, weil man sich mangels der noetigen Orientierungshilfen durch den in der Tat oft ueberwaeltigenden Umfang der Werke abschrecken laesst. Anliegen der Lehrveranstaltung ist es, diese Beruehrungsaengste abzubauen, indem sie einen Ueberblick ueber die vielfaeltigen Formen von enzyklopaedischen Nachschlagwerken, ihre Entstehung, ihren Aufbau, ihre unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung sowie ueber die - wenigstens in einigen Faellen vorliegenden - modernen Hilfsindizes zu vermitteln bemueht ist. Ergaenzend zu den theoretischen Ausfuehrungen soll den Studenten Gelegenheit gegeben werden, sich durch praktische Uebungen im Umgang mit den Enzyklopaedien zu schulen. Schon jetzt sind alle Teilnehmer aufgefordert, sich Gedanken ueber Themenbereiche oder Stichworte zu machen, die sie das Semester hindurch verfolgen moechten, um so an konkreten Beispielen einen Eindruck vom Charakter der einzelnen Enzyklopaedien, ihrer Tauglichkeit als Informationsquellen und ihren wechselseitigen Abhaengigkeiten zu gewinnen. In den Vergleich sollen auch moderne Nachschlagwerke einbezogen werden.

Absteckung des Bereichs traditioneller Enzyklopaedien: Im traditionellen viergliedrigen bibliographischen Schema, wie es u.a. der umfassendsten traditionellen Bibliographie, dem Deskriptiven Katalog zur handschriftlichen Bibliothek des Qianlong-Kaisers (Si ku quanshu zongmu tiyao Ñ| «w Ñ■ «╤ ┴` Ñ╪ ┤ú ¡n ) zugrunde liegt, finden wir gleich in drei der vier Hauptabteilungen Werke zusammengestellt, die wir als Enzyklopaedien ansprechen koennen:

  1. In der Abteilung der Klassiker (jing ╕g ) begegnen wir in der Unterabteilung der philologischen Hilfsmittel (xiaoxue ñp ╛╟ ) dem Erya-Komplex. Bei dem Ausgangswerk Erya ║╕ ╢« , dem aeltesten ueberlieferten chinesischen Nachschlagwerk ueberhaupt, handelt es sich zunaechst einmal um nicht mehr als eine Art Thesaurus, also eine Wortschatzsammlung, bestehend einerseits aus Synonymgruppen, andererseits aus Listen von Fachtermini zu verschiedenen Wissensbereichen wie Architektur, Astronomie, Geographie, Botanik, Zoologie usw. Erst durch die Kommentarliteratur, die sich inhaltlich mit den Fachtermini auseinandersetzt (also z.B. einen Pflanzennamen durch die detaillierte Beschreibung der entsprechenden Pflanze kommentiert) ist daraus, wenigstens teilweise, ein enzyklopaedisches Werk geworden. Diese dem Erya und seinen Kommentarwerken anhaftende Ambivalenz ist kennzeichnend auch fuer die vielen Nachfolgewerke, die im Laufe der folgenden zwei Jahrtausende hervorgebracht wurden: teils koennen wir sie als rein philologische Werke, teils als regelrechte Enzyklopaedien mit vorwiegend naturkundlicher Ausrichtung ansprechen.

  2. Die Abteilung der Denker (zi ñl ) enthaelt in der Unterabteilung leishu ├■ «╤ die Werke der ôEnzyklopaedistenö - bezeichnenderweise flankiert von den Werken der Synkretisten (zajia ┬° «a ), die als Vorlaeufer betrachtet werden koennen, und der Anekdotenerzaehler (xiaoshuojia ñp ╗í «a ), die reichlichen Stoff fuer die spaeteren Enzyklopaedien lieferten. Als aeltestes Werk der Leishu-Gattung wird allgemein das Huanglan ¼╙ ─² genannt, eine fuer den persoenlichen Gebrauch von Kaiser Wei Wendi ├Q ñσ ½╥ (Cao Pi ▒Σ ÑA ) bestimmte Enzyklopaedie aus der Sanguo-Zeit, die leider verloren gegangen ist. Die aeltesten vollstaendig ueberlieferten Werke stammen aus der Sui- und fruehen Tang-Zeit, darunter das im Auftrag des Gruenders der Tang-Dynastie erstellte Yiwen leiju ├└ ñσ ├■ ╗E (nebenbei bemerkt eine boese Luecke in unserer Institutsbibliothek!) und das auf ein handliches Format zurechtgestutzte Chuxueji ¬∞ ╛╟ ░O , das dem Kaiser Xuanzong ¡≡ Ñ╚ ⌐v vor der Thronbesteigung als ad usum Delphini diente und das dazu beigetragen haben mag, aus ihm einen grossen Foerderer der schoenen Literatur und Kuenste zu machen. Wie diese Werke unschwer erkennen lassen, handelt es sich um nach Sachgebieten geordnete Zitatsammlungen primaer fuer den literarischen Gebrauch. Aus diesen bescheidenen Urspruengen sollten im Laufe der Zeit - dann sicher mit veraenderter Zielsetzung, aber den Charakter von Zitatsammlungen beibehaltend - die umfangreichsten Enzyklopaedien, die China hervorgebracht hat, erwachsen. Den kroenenden Hoehepunkt bildet das Gu jin tushu jicheng Ñj ñ╡ ╣╧ «╤ ╢░ ª¿ des Kangxi-Kaisers, das selbst in stark verkleinerter Reproduktion noch ein stolzes Regal unserer Institutsbibliothek fuellt.

  3. Schliesslich finden wir in der Historiographischen Abteilung (shi Ñv ) die Unterabteilung der Regierungsbuecher (zhengshu ¼F «╤ ) mit einer stattlichen Ansammlung von staatspolitisch ausgerichteten enzyklopaedischen Werken, die sich ihrem Ursprung und ihrer Form nach wiederum in drei Untergattungen untergliedern lassen:

    a) Die Tongdian │q ¿σ (zusammengefasst zu der monumentalen Sammlung Shi tong ñQ │q ) lassen sich als die Herausloesung der Sachmonographien (zhi º╙ ) aus den Dynastiegeschichten zu einer selbstaendigen Form enzyklopaedischer Geschichtsschreibung charakterisieren. Ihr Anliegen ist es, einen ôdurchgaengigenö Ueberblick ueber die Entwicklung der in den Dynastiegeschichten bereits vorgezeichneten Verwaltungs- und Wissensbereiche wie Wirtschaft, Pruefungswesen, Riten, Militaerwesen, Justiz etc. zu geben. Da auch immer mehr Bereiche, die mit Politik unmittelbar nichts zu tun haben, Beruecksichtigung fanden, gestalteten sich die Tongdian zu echten Universalenzyklopaedien aus der Perspektive der Historiographen aus.

    b) Die Gattung der Huiyao ╖| ¡n , die etwa gleichzeitig mit der der Tongdian geboren wurde, stehen ebenfalls in engem Zusammenhang mit den Sachmonographien der Dynastiegeschichten. Jedoch, waehrend die Tongdian die auf einzelne Dynastien verteilten Sachmonographien nachtraeglich zu durchgaengigen Darstellungen zusammenfassten, stellen die Huiyao ihrer urspruenglichen Funktion nach vorbereitende Materialsammlungen zu den Sachmonographien erst noch zu erstellender Dynastiegeschichten dar. Allerdings fand die zwanglose Form so grossen Anklang, dass sie sich im Laufe der Zeit zu einer eigenen Gattung verselbstaendigte und entsprechende Materialsammlungen im nachhinein fuer so gut wie alle Epochen der chinesischen Geschichte kompiliert wurden, eben auch solche, fuer die bereits Dynastiegeschichten vorlagen.

    c) Als dritte Gattung sind die Huidian ╖| ¿σ zu nennen, die wohl aufgrund der Aehnlichkeit des Namens gerne mit den Huiyao zusammengeworfen werden, die jedoch eine ganz eigene Gattung nach dem Vorbild des konfuzianischen Klassikers Zhou li ⌐P ┬º darstellen. Oberstes Anordnungsprinzip dieser umfangreichen Materialsammlungen fuer den Gebrauch der Beamtenschaft ist der Beamtenapparat selbst, genauer gesagt: der als normativer Bezugsrahmen dienende Beamtenapparat des Zhou li, dem alle Wirklichkeitsbereiche als Zustaendigkeitsbereiche zugeordnet werden. So stellen die Enzyklopaedien dieses Typs den reinsten Ausdruck einer buerokratischen Weltsicht dar.

So viel zum allgemeinen Ueberblick! Eine Liste der zu behandelnden Werke und der Bestaende unserer Bibliothek wird zu Semesterbeginn vorgelegt werden.

Literaturhinweise:


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